Die Bevölkerung Darmstadts vervielfachte sich in diesen Jahren des industriellen Wachstums und wirtschaftlichen Aufschwungs und benötigte eine moderne Wasserversorgung. Der in solchen Konstruktionen erfahrene Ingenieur Otto Lueger wurde mit der Planung beauftragt. Das dafür erforderliche gelegene Wasserreservoir konnte auf der Mathildenhöhe, der höchsten stadtnah gelegenen Erhebung, 1880 fertiggestellt werden. Das bis 1994 genutzte Bauwerk bildet den Unterbau des Ausstellungsgebäudes und gilt als technisches Denkmal.
Die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe Darmstadt
1901 – Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie
1904 – Die zweite Ausstellung der Künstlerkolonie
1908 – Die Hessische Landesausstellung
Vorgeschichte
Auf einem östlich der Stadt gelegenen Hügel begann Prinz Christian, ein Bruder des regierenden Großherzogs Ludwigs I., um 1800 anstelle eines Weinbergs eine Parkanlage zu planen. Die damals erbaute Einfriedung ist als Bruchsteinmauer an der Erbacher Straße in großen Teilen noch erhalten. Sein Nachfolger, Großherzog Ludwig III. führte diese Planungen fort. Nach seiner Gattin Mathilde erhielt die nun als Landschaftspark gestaltete Grünanlage ihren Namen. Der um 1830 angelegte Platanenhain zeugt aus dieser Zeit und ist heute ein wichtiger Bereich der 1899 gegründeten Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe. Ein Sommerhäuschen an prominenter Stelle, nach Plänen des klassizistischen Hofbaumeisters Georg Moller erbaut, musste der im selben Jahr geweihten Russische Kapelle weichen.
Inzwischen begann die sich ausdehnende Bebauung der Stadt auch Bereiche der Mathildenhöhe einzunehmen. Um eine architektonisch anspruchsvolle Weiterentwicklung dieses Geländes in die Wege zu leiten, beauftragte Großherzog Ernst Ludwig 1897 den Architekten Karl Hofmann mit dem Entwurf einer städtebaulichen Konzeption für den südlichen und westlichen Teil der Parkanlage. Nach seinen Plänen wurden entlang der Straßen Victoria-Melitta-Weg (heute Prinz-Christians-Weg), Alexandraweg und Nikolaiweg eine Reihe von Villen nach den Entwürfen namhafter Architekten wie Paul Wallot, Alfred Messel, Heinrich Metzendorf und Friedrich Pützer erbaut. Das Zentrum der Mathildenhöhe aber sollte für die 1899 gegründete Künstlerkolonie mit ihren Bauwerken, Gartenanlagen und Skulpturen zur Verfügung stehen.
1901 - Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie Darmstadt
Bereits 1898 fand auf Initiative des Verlegers Alexander Koch in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein und der „Freien Vereinigung Darmstädter Künstler“ eine „Erste Darmstädter Kunst- und Kunstgewerbeausstellung“ in der Kunsthalle statt. Sowohl hier als auch im Gewerbemuseum konnten bereits einige der späteren Mitglieder der Künstlerkolonie ihre Werke ausstellen. Der Großherzog Ernst Ludwig nahm die Strömungen der Zeit war und gründete unter Mitwirkung Kochs 1899 die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe.
Für die Berufung des ersten Mitglieds, dem Maler und Grafiker Hans Christiansen, musste der Großherzog bis nach Paris reisen, um den international bekannten Künstler für seine Pläne in Darmstadt zu gewinnen. Im weiteren Verlauf wurden Peter Behrens aus München, Joseph Maria Olbrich aus Wien, Rudolf Bosselt aus Paris, die beiden jungen Münchner Künstler Paul Bürck und Patriz Huber und als einzig in Darmstadt ansässiger der Bildhauer Ludwig Habich berufen. Ein auf drei Jahre befristetes Gehalt und die Aussicht auf eine wachsende Auftragslage sollte die Zukunft dieser Künstler absichern. Vier dieser „ersten Sieben“ konnten sich einen zu günstigen Konditionen erworbenen Bauplatz auf der Mathildenhöhe leisten, um hier ihr Haus errichten zu lassen. Die beiden jüngsten Mitglieder Hubert und Bürck erhielten eine Wohnung im Atelierhaus.
Entsprechend der Arts and Crafts Bewegung in England, die sich die Erneuerung der Kunst und des Handwerks, verbunden mit Entwürfen einer im Sinne des modernen Menschen geplanten Architektur zum Ziel gesetzt hatte, wurden auf den Mathildenhöhe Wohn- und Künstlerhäuser geschaffen, die alle Bereiche des Lebens gestalten sollten und als Teil der Ausstellung 1901 „Ein Dokument deutscher Kunst“ für den Besucher zur Besichtigung offen standen.
Das von Olbrich entworfene Ateliergebäude, das Ernst-Ludwig-Haus, diente als Arbeitsplatz. Dessen Inschrift „Seine Welt zeige der Künstler, die niemals war noch jemals sein wird“ über dem ornamental betonten Portal verweist auf den visionären Anspruch, umfassend eine Lebenswelt zu entwerfen, die sowohl eine ästhetische als auch eine im Sinne der Lebensreform geschaffene Erneuerung des Alltags des modernen Menschen anstrebte. Der Grundstein wurde gelegt mit den Worten des Großherzogs „Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst“, die das Ideal einer Verbindung von künstlerischen Entwürfen und handwerklicher Ausführung deutlich machen. In dieser Verknüpfung war zugleich auch eine wirtschaftliche Belebung der heimatlichen Produktion anvisiert worden. Diese erste Ausstellung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe wurde gut besucht und international diskutiert, finanziell allerdings eine große Belastung für die Staatskasse.
1904 - Die zweite Ausstellung der Künstlerkolonie Darmstadt
Auf Grund der Erfahrungen der ersten Ausstellung der Künstlerkolonie plante man 1904 in wesentlich kleinerem Umfang. Viele der daran beteiligten Künstler hatten inzwischen Darmstadt verlassen, einzig Joseph Maria Olbrich und Ludwig Habich blieben auf der Mathildenhöhe. Neu Berufene waren der Bildhauer Daniel Greiner, der Designer Paul Haustein und der Maler und Grafiker Johann Vincenz Cissarz.
Für die Bildhauer wurde an das Ateliergebäude von 1901 ein Anbau von Olbrich entworfen, der sich in seiner Außengestalt durch die Verwendung von Klinkersteinen deutlich abhebt. Hier finden heute wechselnde Ausstellungen statt, ein von außen zugänglicher Teil dient als Museumsladen.
Als einzige Wohnhäuser wurde an der südwestlichen Ecke der Mathildenhöhe die sogenannte Drei-Häuser-Gruppe errichtet. Olbrich plante ein Ensemble von drei Gebäuden, das als Baukomplex eine Einheit bildet und in seiner Architektur dennoch auf die Individualität des jeweiligen Bewohners verweist. Unterschiedliche Baumaterialien und ausgeprägte Giebelformen betonen die Eigenständigkeit dieser drei Häuser.
1908 – Die Hessische Landesausstellung
Ziel der 1908 eröffneten „Hessischen Landesausstellung für freie und angewandte Kunst“ war es, einen Überblick über „die hessischen Kunstleistungen der Gegenwart“ zu präsentieren. Diesmal stellten nicht alleine die Mitglieder der Künstlerkolonie Darmstadt Joseph Maria Olbrich, Albin Müller, Heinrich Jobst, die Brüder Friedrich Wilhelm und Christian Heinrich Kleukens, Josef Emil Schneckendorf, Jacob Julius Scharvogel, Daniel Greiner und Ernst Riegel ihre Werke aus, die Schau sollte über die Darmstädter Arbeiten hinaus kunsthandwerkliche Produkte des ganzen Landes einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen.
Als wichtigstes Bauensemble der Künstlerkolonie 1908 wurde der von Joseph Maria Olbrich geplante Hochzeitsturm mit dem angrenzenden Ausstellungsgebäude fertiggestellt. Hierfür setzte Olbrich auf das 1880 entstandene Wasserreservoir seine die Mathildenhöhe prägende, monumentale Architektur und umgab sie mit klar geometrisch konstruierten Betonpergolen. Das zu Ehren der zweiten Ehe des Großherzogs mit Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich Hochzeitsturm genannte Wahrzeichen der Stadt wird von einer markanten Fassadengestaltung aus dunkelrotem Klinkerstein geprägt. Seine, die Zimmer des Fürstenpaares kennzeichnenden übereck gesetzten Fensterbänder weisen bereits auf eine Bauweise des Expressionismus der 1920er Jahre hin.
Eine Reihe von Musterhäusern wurde am Osthang der Mathildenhöhe als sogenannte „Kleinwohnungskolonie“ errichtet. Sechs Architekten erhielten den Auftrag, je ein Musterhaus für den Siedlungsbau zu entwerfen, deren Erstellung nur noch etwa ein Zehntel der Kosten der 1901 entstandenen Villen benötigen durften. Drei dieser Häuser sind heute an der Erbacherstraße gegenüber dem Hofgut Oberfeld zu finden. Außerdem errichtete man entlang des Olbrichwegs drei Wohnhäuser, eines davon ist das von Olbrich geplante „Oberhessische Haus“. Hier wurden Produkte des oberhessischen Kunsthandwerks ausgestellt
Ein nur für die Dauer der Ausstellung errichtetes Gebäude des Architekten Albin Müller zeigte unter anderem den für Bad Nauheim geplanten Schmuckhof mit Keramiken von Jacob Julius Scharvogel und Skulpturen von Heinrich Jobst. Zur Gründung einer keramischen Werkstätte wurde bereits 1906 Scharvogel in die Künstlerkolonie nach Darmstadt berufen und noch im selben Jahr konnte die dann von ihm geleitete „Großherzogliche Keramische Manufaktur“ fertiggestellt werden.
Vor allem mit der Möbelherstellung der Firmen Alter, Trier und Glückert galt der Regierungsbezirk Darmstadt in diesen Jahren als ein Zentrum des Rheinischen Handwerks. Als weitere Handwerksstätte wurde mit der Berufung des Glaskünstlers Josef Emil Schneckendorf 1907 die Großherzogliche Edelglasmanufaktur eröffnet. Eine dritte Einrichtung, die „Ernst Ludwig Presse“, fertigte unter der Leitung Friedrich Wilhelm Kleukens und der Mitwirkung seines Bruders Christian Heinrichs hochwertig gestaltete und handwerklich anspruchsvolle Druckwerke an.
1914 – Die letzte Ausstellung der Künstlerkolonie Darmstadt
Schon 1913 sollte eine weitere Ausstellung der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe stattfinden, die dann ein Jahr später unter der Leitung Albin Müllers realisiert werde konnte. Weitere Mitglieder waren wieder die Brüder Kleukens und Heinrich Jobst, auch Ernst Riegel konnte als Auswärtiger teilnehmen. Neu berufen wurden die Architekten Emanuel Joseph Margold und Edmund Körner, der Bildhauer Bernhard Hoetger, die Maler Hans Pellar und Fritz Osswald sowie der Goldschmied Theodor Wende.
Die vierte und letzte Ausstellung der Künstlerkolonie wurde am 16. Mai 1914 mit einem Festspiel eröffnet, an dem Schülerinnen der Duncan-Schule den reformorientierten Ausdruckstanz nach Kompositionen Arnold Mendelssohns inszenierten. Das für diese Tanzschule in Darmstadt errichtete Gebäude auf der Marienhöhe ist erhalten und wird heute als Gymnasium genutzt.
Eine imposante Eingangsarchitektur zur Ausstellung entstand mit dem von Albin Müller geplanten „Löwentor“. Sechs monumentale Doppelsäulen trugen von Bernhard Hoetger geschaffene gusssteinerne Löwen. Heute bildet dieses Tor mit seinen Säulen das Portal zum Hochschulstadion, während die Löwen auf mächtige Klinkerstelen gestellt den Eingang zum Park Rosenhöhe markieren.
Albin Müller entwarf auch das große Wasserbecken vor der Russischen Kapelle. Mit der Farbigkeit seiner Bodenfliesen, den gedrungenen Säulen am östlichen Abschluss und den sakralen Figuren Maria und Joseph nimmt das sogenannte „Lilienbecken“ Bezug auf die 1899 geweihte historistische Kirchenarchitektur, um sie in das inzwischen gewachsene Jugendstilensemble zu integrieren.
Als künstlerischer Leiter der Gesamtanlage von 1914 ließ Albin Müller auf dem abfallenden Grünzug südlich der Kapelle temporär ein „Zerlegbares Ferienhaus“ aufstellen. Sein keramischer Gartenpavillon aber mit seinen Doppelsäulen und einer flachen Kuppel ist als dauerhafte Architektur bis heute ein beliebter Ort für Besucher der Mathildenhöhe. Wegen seiner Reliefplatten mit Schwanenmotiven wird er auch „Schwanentempel“ genannt.
Den größten Baukomplex auf der Mathildenhöhe formte die aus acht Mietshäusern bestehende Gebäudegruppe, an die ein Trakt für Ateliers mit Wohnungen für Künstler angefügt wurde. Drei der von Albin Müller geplanten Häuser wurden, dem Programm der vorhergehenden Ausstellungen entsprechend, von den Architekten Edmund Körner, Emanuel Josef Margold und Albin Müller selbst mit je drei Wohnungen voll ausgestattet und für Besucher zur Besichtigung geöffnet. In Ergänzung mit seinen Gartenanlagen sollte dieses Ensemble das als unschön empfundene Gelände mit Brauereigebäuden im Osten verdecken. An Stelle der im Zeiten Weltkrieg zerstörten Mietshäusergruppe befindet sich heute ein modernes Bauwerk für die Hochschule für Design, nur das Ateliergebäude ist erhalten geblieben.
Der Platanenhain
Für den noch in der ehemaligen Parkanlage um 1830 angelegten Hain sind in regelmäßigem Abstand Platanen gepflanzt worden. Umgeben von einem mit Efeu bewachsenen Spalier ist dieser Ort ein in sich geschlossener Gartenbereich. Für die Ausstellung 1914 wurde der Bildhauer und Architekt Bernhard Hoetger beauftragt, diesen Hain mit einem eigenen Skulpturenprogramm auszustatten.
Schon die beiden Raubkatzen auf den Eingangspfeilern mit einem erwachenden und einem schlafenden Kind auf ihren Rücken geben dem Eintretenden einen Hinweis auf das allumfassende Thema dieses Ensembles: Tag und Nacht als Sinnbild für den Kreislauf in der Natur.
Die Brunnengruppe an der gegenüberliegenden Nordseite steht – wie die sieben in Nischen gerückten Krugträgerinnen – für den Kreislauf des Wassers, der, dem Leben des Menschen gleich, eine ewige Widerkehr vom Himmel zur Erde zu durchlaufen habe. Vier große Reliefwände mit stehenden und hockenden Figuren versinnbildlichen die Themen Frühling, Sommer, Schlaf und Auferstehung.
An der Begrenzung nach Westen, in die zentrale Mitte gesetzt, steht das Denkmal der sterbenden Mutter mit ihrem neugeborenen Kind auf dem Schoß, eine Hommage an die früh verstorbene Malerin Paula Modersohn-Becker. Eingebunden in die Reliefs des Frühlings und des Sommers für das werdende Leben und die Reliefs des Schlafs und der Auferstehung ist sie Teil des Kreislaufs von Werden und Vergehen, das mit weiteren Motiven wie den Schakalvasen und den Wächterlöwen eine allumfassende Vorstellung des Künstlers vom Leben des Menschen, eingebunden in eine transzendentale Wiederkehr, nachvollziehen lässt.
Die Künstlerkolonie Darmstadt von 1914 bis heute
Die baulichen Aktivitäten der Künstlergemeinschaft auf der Mathildenhöhe fanden mit Beginn des Krieges im August 1914 ein jähes Ende. Selbst nach 1918 blieb es, womöglich bestärkt durch die harsche Kritik einiger Kollegen aus Architektenkreisen an den undogmatisch entworfenen Künstlerhäusern, still auf dem Musenhügel. Das einst viel diskutierte Ensemble geriet weitgehend in Vergessenheit. Erst mit der „Wiederentdeckung“ des Jugendstils in den 1950er Jahren wurden die Werke der Künstlerkolonie bewusster wahrgenommen, jedoch noch immer nicht wertgeschätzt. Erst die große Retrospektive zu den Werken der Künstlerkolonie „Ein Dokument Deutscher Kunst 1901 ∙ 1976“ unter der Leitung des Institutsdirektors Bernd Krimmel leitete eine Wende im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit ein.
Das städtische Ausstellungswesen jedoch wurde in dem eigens dafür errichteten Ausstellungsgebäude kontinuierlich weiter betrieben. Im Anschluss an die Eröffnung 1908 fanden jährlich, mit Ausnahme der Kriegsjahre 1914-1916, große Kunstschauen in den Ausstellungshallen statt. Seit ihrer Gründung 1919 richtete die Darmstädter Sezession ihre Jahresschau auf der Mathildenhöhe aus. Gleich nach Instandsetzung der im Zweiten Weltkrieg beschädigten Architektur, konnte am 25. Juli 1948 eine erste Ausstellung „Moderne Meister aus dem Südwestdeutschen Raum“ eröffnet werden. Zum 50-jährigen Jubiläum der Künstlerkolonie plante man 1951 eine Ausstellung zur Geschichte der Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die zeitgleich mit dem zweiten „Darmstädter Gespräch“ in den Ausstellungshallen gezeigt wurde. Die Gespräche selbst fanden 1951 in den Räumen der nahe gelegenen Otto-Berndt-Halle statt. Elf international bekannte Architekten stellten Entwürfe für unterschiedliche Bauaufgaben vor, die beispielgebend Lösungen für den modernen Wiederaufbau deutscher Städte aufzeigen sollten. Fünf dieser „Meisterbauten“ wurden in Darmstadt realisiert. Das Ausstellungsgebäude wird zurzeit nach denkmalpflegerischen Kriterien modernisiert und energetisch saniert. Es bleibt deshalb bis voraussichtlich Sommer 2023 geschlossen.
Die schon unter Großherzog Ernst Ludwig eingerichteten „Lehrateliers für angewandte Kunst“ (hier lehrte z.B. auch Albin Müller) fanden zunächst ihre Fortsetzung in der östlich der Ausstellungshallen gelegenen Werkkunstschule. 1964 bis 1971 wurde anstelle der Mietwohnhäuser Albin Müllers ein modernes Gebäude für die Werkkunstschule – heute Hochschule Darmstadt - Fachbereich Gestaltung – errichtet. Auch der Hochzeitsturm stand gleich nach Kriegsende für eine erneute Nutzung zur Verfügung. Schon in den ersten Jahren hatte der damalige Kulturreferent Wolfgang Steinecke den Plan, gemeinsam mit dem Maler Paul Thesing in Räumen des Hochzeitsturms und als Ausweichquartier im nahegelegenen Jagdschloss Kranichstein eine Lehrstätte für die Bildende Kunst einzurichten, um damit Darmstadt „einen gesamtdeutschen Ruf zu sichern, […] , im Geist der alten Darmstädter Künstlerkolonie“, mit dem Ziel „vorbildlich auf die Erziehung eines für die neue Zeit tauglichen künstlerischen Nachwuchses einwirken und in den Hauptfächern Malerei, Graphik und Plastik eine neue Generation heranbilden“ zu können. Ab 1949 konnte diese wenige Jahre zuvor gegründete Kunstschule geeignetere Räume im 1914 von Albin Müller geplanten und noch erhaltenen Ateliergebäude im Olbrichweg 10 beziehen. Hier hatten Künstler wie Carl Gunschmann (Maler), Emanuel Josef Margold (Architekt, Gestalter) und Kasimir Edschmid (Schriftsteller) ihren Arbeitsplatz. Die Mietshausgruppe selbst, zu der die Ateliers als rückwärtiger Anbau gehörten, war 1944 zerstört und die Ruine abgetragen worden.
Im Hochzeitsturm , in einem Zwischenbau sowie in Teilen des Ausstellungsgebäudes und des Ernst-Ludwig-Hauses befinden sich heute Archive, Magazine und Werkstätten des Instituts Mathildenhöhe, eine vom Magistrat der Stadt Darmstadt unterhaltene Kultureinrichtung. Sein Büro befindet sich im „Oberhessischen Haus“, ein von Joseph Maria Olbrich entworfenes und 1908 erbautes Gebäude. Diese Institution richtet die großen Ausstellungen aus, wie z.B. 2010 „Joseph Maria Olbrich 1867-1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne“. Sie betreut zudem das Museum Künstlerkolonie, ihm ist auch die Verwaltung der Städtischen Kunstsammlung anvertraut. Das Institut Mathildenhöhe versteht sich als „Ausstellungshaus, wissenschaftliche Einrichtung, Museum, Kunstsammlung, Tagungsort und eine Anstalt zur pädagogischen Vermittlung von kunst-, kultur- und geisteswissenschaftlichem Wissen.“ Mit dieser Fülle an Aufgaben kann es als „Zentrum der städtischen Kulturarbeit und auch der Kulturpolitik“ gelten.
Während die Ausstellungshallen gleich nach 1945 ihrer Bestimmung entsprechend genutzt werden konnten, musste das bis 1944 weiterhin als Ateliergebäude dienende Ernst-Ludwig-Haus erst wieder instand gesetzt werden. Ab den 1950er Jahren beherbergte das Ernst-Ludwig-Haus international bekannte Institutionen, wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Die 1949 in der Frankfurter Paulkirche gegründete Akademie tagte 1950 in den Hallen auf der Mathildenhöhe. Am 16. Oktober 1951 konnte sie ihre Arbeitsräume im Ernst-Ludwig-Haus beziehen und blieb dort bis zu ihrem Umzug 1971 ins Große Haus Glückert. Nachfolgend nahm anstelle der Akademie der Deutsche Werkbund hier seine Arbeit auf. Mit dem Architekten Otto Bartning zog 1951 auch das von ihm aufgebaute Kirchenbauinstitut ein, es folgten die Martin-Behaim-Gesellschaft, außerdem war im Ernst-Ludwig-Haus zeitweise der „Deutsche Kunstdienst“ unter Leitung von Hans Schwippert untergebracht. Der Architekt Walter Gropius setzte sich für die 1960 erfolgte Gründung des Bauhaus-Archivs unter der Leitung Hans Maria Winglers ein. Mit dem Ziel, die Geschichte des Bauhauses mit allen erhaltenen Dokumenten zu dokumentieren, konnte das Archiv 1961 erste Räume im Ernst-Ludwig-Haus beziehen. Für einen geplanten Neubau stellte Walter Gropius einen Entwurf für ein Grundstück auf der Darmstädter Rosenhöhe zur Verfügung, der aber aus Kostengründen nicht realisiert werden konnte. Das darauf hin nach Berlin übersiedelte Bauhaus-Archiv beherbergt heute die weltweit umfassendste Sammlung zur Geschichte des Bauhauses. 1971 schließlich bezog der Bundesverband des Deutschen Werkbundes Räume im ehemaligen Ateliergebäude der Künstlerkolonie und blieb dort bis 1986. Auch der Erasmus-Verlag fand hier eine Unterkunft. Im Jahr 1987 begannen Sanierungsarbeiten am Ernst-Ludwig-Haus mit dem Ziel, ein Museum einrichten zu können. Es sollte die 16-jährige Geschichte der Künstlerkolonie mit Werken ihrer 23 Mitglieder repräsentieren können. Dieses Museum Künstlerkolonie Mathildenhöhe konnte 1990 mit einem Symposium zum Thema „Aufbruch zur Moderne“ eröffnet werden.
Die 1904 angebauten Bildhauerateliers blieben erhalten. Sie dienten zeitweise als Räume für die nach Kriegsende gegründete städtische „Lehrwerkstätte der bildenden Kunst“. Zudem wurden die Ateliers in den folgenden Jahren von Bildhauern genutzt, zunächst von Fritz Schwarzbeck und Hermann Geibel, dann von Georg von Kovats, auch Richard Hess arbeitete zeitweise dort. Auch die gegenüber gelegene Werkkunstschule nutzte Teile der Ateliers bis 1974. Heute stehen die Bildhauerateliers für Wechselausstellungen zur Verfügung, im Oktogon ist der Museumsladen untergebracht.
Das Große Haus Glückert wurde 1961 von der Stadt erworben und renoviert. 1968 bezog der Deutsche Kunstrat Räume des Hauses, seit 1971 hat die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mit dem Deutschen Literaturfonds hier ihren Sitz. Eine erneute denkmalpflegerische Sanierung wird im Jahr 2021 begonnen. Nach Fertigstellung wird das Erdgeschoss der Öffentlichkeit im Rahmen einer Ausstellung dauerhaft zugänglich gemacht.
Im Haus Olbrich nahm nach Renovierungen des 1950 vereinfacht wieder aufgebauten Wohnhauses 1980 das Deutsche Poleninstitut unter dem damaligen Leiter Dr. Carl Dedecius seine Arbeit auf. Entsprechend den Vorgaben der Stifterin Frau Dr. Richtzenhain wurde das ehemalige Wohnhaus des Architekten Olbrich somit zu einem „wissenschaftlich- kulturellen und der Friedensarbeit dienenden Zweck“ genutzt. Der Umgang mit der nur noch in Teilen erhaltenen historischen Substanz und dem nach der Kriegszerstörung vereinfacht wieder aufgebauten Obergeschoss wurde seit 2017 in Beratergremien der Stadt, unter Beteiligung der Öffentlichkeit, umfänglich diskutiert. Seit 2018 wird das Sanierungskonzept nach hohen Qualitätsstandards umgesetzt. Nach der Fertigstellung wird das Haus insgesamt der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung als Erweiterung Ihrer Arbeitsräume dienen.
Haus Deiters, das ehemalige Wohnhaus des geschäftsführenden Sekretärs der Künstlerkolonie, ist erhalten geblieben. Bis 1988 wurde es als privates Wohnhaus genutzt. Hier lebten u.a. die Künstlerkolonie-Mitglieder Albin Müller und Hans Pellar. Mit seinem Ankauf konnte die Stadt Darmstadt das Ziel verfolgen, alle privaten Veränderungen wieder zurück zu bauen und darin ab 1992 eine Galerie mit Gemälden und Grafiken des 19. Jahrhunderts aus der städtischen Kunstsammlung zu eröffnen. Zwischen 1997 bis 2016 diente das Haus dem Deutschen Poleninstitut als Arbeitsstätte. Nach der jüngst erfolgten denkmalpflegerischen Sanierung ist im Frühjahr 2020 das Forschungszentrum Mathildenhöhe eingerichtet worden. Die Räumlichkeiten werden seitdem durch das Kulturreferat der Stadt Darmstadt mit der Stabsstelle Entwicklung Mathildenhöhe, Welterbebüro und Site Management, sowie durch das Institut Mathildenhöhe genutzt.
Das 3. Darmstädter Gespräch 1952 mit der Ausstellung „Mensch und Technik“ führte zur Gründung weiterer wichtiger Institutionen: Im Alfred-Messel-Haus (Eugen-Bracht-Weg 6) auf der Mathildenhöhe erhielt unter der ersten Leiterin Mia Seeger der 1953 in Darmstadt gegründete Rat für Formgebung eigene Räumlichkeiten. Hier fand bereits ein Jahr zuvor das Institut für Neue Technische Form seine Wirkungsstätte. Heute arbeitet der 2006 gegründete Verein Hessen Design e.V. in diesem Haus.
Die 1953 von Prinz Ludwig von Hessen initiierte und von namhaften Darmstädter Bürgern gegründete Neue Künstlerkolonie auf der nahe gelegenen Rosenhöhe sollte einen „Beitrag zur Überwindung der Nöte der geistig und künstlerisch Schaffenden“ leisten und wollte damit direkt an die Tradition der Künstlerkolonie anknüpfen. Bereits 1955 wurden die ersten beiden Häuser Kasimir Edschmid und Rudof Sellner im Edschmidweg gebaut. 1965-67 entstanden weitere sieben Bungalows mit Ateliers im Ludwig-Engel-Weg. Hier konnten ebenfalls Schriftsteller, Musiker, Bildhauer und andere Kulturschaffende zu vergünstigter Miete wohnen und arbeiten. Zu ihnen gehörten u.a. Karl Krolow, Gabriele Wohmann und Wilhelm Loth. Diese Tradition wird bis heute gepflegt. Hier wohnen heute u.a. die Schriftstellerin Katja Behrens, der Bildhauer Thomas Duttenhoefer, der Filmemacher Christian Gropper, der Fotograf Lukas Einsele und weitere Kulturschaffende dieser Stadt.